Normalität - Rassismus - Privilegien - Klassismus - Wohlstand - Queer - Normcore
Eines der Wörter, das die Pandemiezeit geprägt hat, ist die Normalität: Der Wunsch nach ihr ist vermeintlich groß – wann kehren wir zurück zur Normalität? Sie wird beschworen, vermisst, ersehnt oder auch verflucht. So unklar ist jedoch: Was ist mit dieser Normalität eigentlich gemeint?
Vieles ist heute normal, was vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbar war, etwa die Ehe für alle, das Leben in Patchwork-Verbünden und die Tatsache, dass hiesige TV Moderator*innen, Politiker*innen, Sportler*innen, Künstler*innen Namen tragen, die nicht Meier, Müller, Schulze lauten. Es ist heute normal, dass Rassismus als solcher benannt und bekämpft wird – aber auch alltäglich, dass Neonazis durchs Land ziehen und Menschen, die ihrer Norm nicht entsprechen, bedrohen und angreifen. Für People of Color, Menschen nichtchristlichen Glaubens oder für queere Menschen sind Angriffe verbaler oder physischer Natur dieser Tage so gut wie normal.
Was bedeutet das gegenwärtige Ringen um Normalität für die Kunst und die Kultur? Wie muss, darf, kann, soll die Literatur darauf reagieren? Haben Schriftsteller*innen überhaupt die Aufgabe, sich mit Normalität auseinanderzusetzen, gar eine neue Normalität herbeizuschreiben oder zu kommentieren? Oder ist es kennzeichnend für gelungene Literatur, dass sie sich bewusst über die alltägliche Normalität erhebt und Räume jenseits des Gewöhnlichen aufzeigt? Wie konventionell müsste Literatur sein, damit sie heute ein breites Publikum erreicht? Oder umgekehrt: Wie waghalsig, experimentell, verrückt müsste sie daherkommen, damit die Welt auf sie achtet, damit sie eine Wirkung erzielt?
Die Programmreihe „Back to normal?“ des Literaturforums im Brecht-Haus diskutiert an insgesamt sechs Abenden mit wechselnden Gästen die Problematik des Normalitätsbegriffs. Es moderiert Katja Kullmann.